Musik überwindet Grenzen

Samstag, 19. November 2016 | 

Die Camerata Academica Freiburg unternahm eine zweiwöchige Konzertreise nach Südafrika. Unterstützt wurde das ambitionierte Projekt unter anderem durch die Stadt Freiburg, das Goetheinstitut und die Alumni der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg.

Camerata Academica
Die Freiburger Camerata Academica und das Musical Departement der Universtität Stellenbosch in der Endler Hall in Stellenbosch.[Foto: privat]
Felix Mendelssohns Chorsymphonie „Lobgesang“ hatte das mit einigen Profis besetzte Laienorchester bereits in Freiburg einstudiert, um sie gemeinsam mit zwei Chören vom Musical Department der Universität Stellenbosch aufzuführen. „Solche großen Orchesterprojekte wären sonst für unsere Studenten hier nicht möglich. Durch diese einmalige Zusammenarbeit sammeln sie wichtige Erfahrungen“, sagt Martin Berger, seit 2013 Professor für Chorleitung in Stellenbosch.
Große Aufregung am Abend – das erste Konzert in der renommierten, akustisch hervorragenden Endler Hall in Stellenbosch steht an.

Im "Lobgesang" verbunden ist die Aufregung vergessen und die Musik in den Vordergrund getreten.
Im “Lobgesang” verbunden ist die Aufregung vergessen und die Musik in den Vordergrund getreten. [Foto: privat]
Martin Berger begrüßt auf Afrikaans und Englisch das Publikum und erklärt, warum der Kollege Gunnar Persicke, der im ersten Programmteil drei Ouvertüren von Haydn, Beethoven und Schubert dirigiert, den gefürchteten Einsatz der ersten Violine in Beethovens dritter Leonorenouvertüre selbst vom Dirigentenpult auf seiner Geige spielt. Die Konzertmeisterin Martina Wündrich hatte sich kurz vor der Reise an der Hand verletzt und musste kurzfristig ersetzt werden. Der Mut wird belohnt. Beethovens Freiheitsjubel mündet im tosenden Applaus des Publikums. Und auch Mendelssohns „Lobgesang“ erhält in diesem deutsch-südafrikanischen Partnerschaftsprojekt mit den Solisten Maria Bernius, Jolene McCleland (Sopran) und dem Freiburger Tenor Hans Jörg Mammel eine besondere Spannung.

Auch abseits der offiziellen Auftritte steht der Spaß am gemeinsamen Musizieren im Vordergrund.
Auch abseits der offiziellen Auftritte steht der Spaß am gemeinsamen Musizieren im Vordergrund. [Foto: privat]
Nach dem Konzert gibt es Wein und Briekäse. Beides haben die Hugenotten im 17. Jahrhundert in die Gegend gebracht – inzwischen gehört Stellenbosch zu den bekanntesten Weinanbaugebieten weltweit. Lunathi Ncamani singt mit einigen Freunden vom Kammerchor der Universität Stellenbosch einige traditionelle Lieder auf Xhosa, der neben Zulu am meisten verbreiteten Sprache der Schwarzen Südafrikas. Auch weiße Chorsänger sind dabei. Beim bekannten Lied „Shosholoza“, das ursprünglich von Minenarbeitern gesungen wurde, stimmen alle ein in die mitreißende Musik. Hier in diesem Chor wird Mandelas Vision der Regenbogennation spürbar. Keine Grenzen gefährden die Harmonie. Kraftvoll und strahlend ertönt der Gesang, der sich immer wiederholt.

Als kleine Erholung bewunderten sie gerne die traumhafte Natur Südafrikas [Foto: privat]
Als kleine Erholung bewunderten sie gerne die traumhafte Natur Südafrikas. [Foto: privat]
Auch Martin Berger singt mit, das Weinglas in der Hand. Als der Saarländer 2013 von der Universität Düsseldorf nach Stellenbosch wechselte, gab es noch kaum schwarze Studenten im Musical Department der Universität. Berger suchte gezielt in Townships nach musikalischen Talenten, hörte sich Sängerinnen und Sänger an und schaut nach Chordirigenten. Mit dem „Certificate Program“ verweist er dort auf ein Vorstudium seiner Universität, das den Talenten den Weg zur klassischen Musik ermöglichen kann. Regulären Musikunterricht gibt es im Township nicht. Auch solch ein Partnerschaftsprojekt tue den Studenten sehr gut, weil sie spürten, was auf der Welt noch so passiere. „Das Land war ja jahrzehntelang isoliert.
Da gibt es eine Menge Nachholbedarf.“

Junge Musiker machen beim Abschlusskonzert der Reise erste Erfahrungen mit der Trompete. [Foto: privat]
Junge Musiker machen beim Abschlusskonzert der Reise erste Erfahrungen mit der Trompete. [Foto: privat]
Nach einem weiteren Konzert mit dem gleichen Programm in der Groote Kerk in Kapstadt geht die Reise der Freiburger weiter nach Port Elizabeth. Der 60-köpfige, privat getragene Eastern Cape Children’s Choir von Dirigent Lionel van Zyl ist ein Aushängeschild der Region. Bereits zwölfmal war er auf Europatournee.

Beim Empfang in der Feather Market Hall in Port Elizabeth erhalten die Freiburger von jedem Kind eine CD des Chores mit Weihnachtsliedern. Die Mitbringsel aus Deutschland auf den Tischen, von Schokolade bis Schlüsselanhänger, finden reißenden Absatz. Gesungen wird Europäisches an der Kitschgrenze – der „Nonnenchor“ aus Johann Strauss‘ Operette „Casanova“ und „Brüderlein und Schwesterlein“ aus der „Fledermaus“.

Die kristallinen Stimmen der Kinder machen daraus zu Herzen gehende Musik. Der „Abendsegen“ aus „Hänsel und Gretel“ gelingt berührender als in vielen deutschen Stadttheatern.

Glückliche Musiker zufrieden nach einem erfolgreichen Konzert. [Foto: privat]
Glückliche Musiker zufrieden nach einem erfolgreichen Konzert. [Foto: privat]
Nach dem Konzert springen die Kinder in die Garderobe und probieren Instrumente aus. Die Trompete liegt besonders hoch im Kurs. Beim Abschiedsabend gibt es Geschenke für die Ideengeberin und Organisatorin Katharina Puff, Vorstandsvorsitzende des Orchesters und Stimmführerin der Cellogruppe.
Dirigent Gunnar Persicke zieht ein begeistertes Fazit: „Sätze wie Musik überwinde Grenzen oder Musik schlage Brücken habe ich nie richtig verstanden, aber gerne benutzt. In Europa sind die Musiker technisch hervorragend ausgebildet, vergessen aber oft, darüber hinaus zu gehen. Hier in Südafrika habe ich gelernt, wie Musik tatsächlich unterschiedlichste Menschen verschiedener Traditionen zusammenbringt und vereint. Dadurch wurde ich daran erinnert, mich neu auf das Wesentliche der Musik auszurichten.“

 

Der Autor Georg Rudiger ist Mitglied der Camerata Academica Freiburg und war als Cellist auf der Konzertreise dabei.

 

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