Ist ein würdevolles Altern in deutschen Pflegeheimen möglich?

Freitag, 6. Mai 2016 | 

Schlagwörter »  |  Thema: 2016-1, Allgemein, Alumni Buchtipps, Newsletter

Wenn alte Menschen pflegebedürftig werden, dann brauchen sie Betreuung und genau diese versprechen Altersheime zu bieten. Alumna Dr. Waltraud Berle musste während der Besuche im Pflegeheim ihrer Mutter – wie viele andere Angehöre von Pflegebedürftigen – allerdings feststellen, dass diese Versprechen oft nicht eingelöst werden. Ihre Erfahrungen schildert sie in ihrem neuesten Buch “`Schluss, sag ich!´- von Menschen, die in Würde altern wollten”.

Die Situation in deutschen Pflegeheimen ist oft schockierend: Eitrig-blutige Mullbinden sind auf offenen Wunden seit Tagen nicht gewechselt worden, das Pflegepersonal kommuniziert nicht mit den Angehörigen, es wäscht die alten Menschen sehr oberflächlich und das Frühstücksgedeck steht noch am späten Mittag im Patientenzimmer. Mit diesen alltäglichen Begebenheiten wurde Dr. Waltraud Berle während der Besuche bei ihrer Mutter konfrontiert.

Cover "`Schluss sag ich!´ - Von Menschen, die in Würde altern wollten"
„Schluss, sag ich! – Von Menschen, die in Würde altern wollten“ von Waltraud Berle, 205 Seiten, Osburg-Verlag, 18,00€.

Das Gefühl von Ungerechtigkeit, Wut, Zorn und Verzweiflung über die eigene Ohnmacht und aktuelle Situation in deutschen Pflegeheimen, in welchen die Menschen ihren Lebensabend nicht in Würde verbringen können, waren für sie der Auslöser zu recherchieren und in ihrem aktuellen Werk über genau diese unwürdigen Verhältnisse zu berichten.

Ihr Buch soll provozieren und zum Nachdenken anregen. Bereits in der Einleitung bezieht die Autorin Stellung dazu, dass einige Abschnitte absichtlich „mit sehr provokativem Charakter“ geschrieben sind. Waltraud Berle erzählt in ihrem Buch von drei älteren Frauen, deren Situation sie hautnah miterlebt hat. Im Buch werden die Frauen als Persönlichkeiten und mit ihren Biographien charakterisiert: Drei Frauen, die den zweiten Weltkrieg miterlebten, heirateten, Mütter wurden und stolz auf ihr Leben zurückblicken konnten, werden im Altersheim würdelos behandelt.  Eine von diesen drei „Hoheiten“, wie sie sie selbst tituliert, ist ihre Mutter. Bei der Beschreibung deren Schicksale gibt sie den drei Damen genau das zurück, was sie ihrer Meinuung nach im Pflegeheim verloren haben –  ihre Würde und ihren Stolz.

Die Würde des Alterns ist das zentrale Thema des Buches. Schließlich handelt es sich bei den Pflegepersonen um alte Menschen, die ein ganzes Leben hinter sich haben, alt genug sind, zu entscheiden, was sie machen wollen oder nicht, allerdings von Programmen der Pflegeheime unterjocht und teilweise entmündigt werden.

Es ist die persönliche Note, die dieses Buch ausmacht. Waltraud Berle beweist Einfühlungsvermögen, einen liebvollen Blick auf die Pflegebedürftigen und behält dabei immer die Frage nach der Menschlichkeit im Auge. Wichtig ist ihr vor dem Hintergrund der Pflegesituation auch die Auseinandersetzung mit der Verantwortung Angehörige in ein Pflegeheim zu geben.

Dr. Waltraud Berle hat von 1972 bis 1980 an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg studiert. Lange Jahre war sie als Rundfunk-Redakteurin tätig. Dann sattelte sie um, studierte noch einmal, Psychologie, und arbeitet nun seit 15 Jahren als Coach für Karriere- und Persönlichkeitsentwicklung in München und Stuttgart.

Diesen Beitrag kommentieren.

Kommentar abgeben