007-Vorbild Dušan Popov: Der echte James Bond war Freiburger Student
Freitag, 18. Dezember 2015 |
Die Frauen lagen ihm zu Füßen, als Spion ermöglichte er die Landung der Alliierten in der Normandie: Dušan Popov. Der selbsternannte “Superspion” gilt als Vorbild für Ian Flemings James Bond. Studiert hat er in Freiburg.
Ein Wort gibt das andere, am Ende fordert Popov Laub zum Duell heraus – mit Pistolen. Zum Waffenkampf wird es zwar nie kommen – ein Studentengericht verhindert das Duell – aber die Geschichte zeigt, wie der Student damals seine Probleme löste. So, wie James Bond sie eben auch gelöst hätte.
Denn Dušan „Duško“ Popov, geboren am 10. Juli 1912 im heutigen Serbien, war nicht nur Freiburger Jura-Student und Playboy. Er war auch ein Vorbild für den berühmtesten Spion der Welt: James Bond. Und wenn an diesem Donnerstag „Spectre“ in Freiburg anläuft, dann sollten die Zuschauer wissen, dass 80 Jahre zuvor der wahre Bond durch die Straßen ihrer Stadt flanierte. Vermutlich mit einem Mädchen an der Hand.
Will man die Geschichte dieses wahren Bonds recherchieren, dann muss man aufs Freiburger Uniarchiv. Dort sitzt Dieter Speck, der Herr der Akten. Nur vage erinnert er sich an die Geschichte Dušan Popovs. In seinen Unterlagen aber ist Popovs Geschichte erhalten.

Popov kam im November des Jahres 1935 nach Freiburg. Er wohnte zunächst in der Talstraße 54, später in der Gartenstraße 18 und zum Schluss, kurz bevor er Freiburg fluchtartig wieder verlassen musste, in der Gartenstraße 1.
In Belgrad hatte er Jura studiert und wollte nun in Freiburg promovieren. Eine ellenlange Korrespondenz mit dem Prüfungsamt von damals legt nahe, dass Popov aber kein besonders eifriger Student war: Er forderte Aufschub für seine Arbeit, wollte manche Themen gar nicht lernen, wurde aufgefordert nachzubessern. Und als er seine Dissertation schließlich einreichte, war er damit so spät dran, dass sie nicht einmal mehr zur Prüfung zugelassen wurde.
Dušan Popov hatte andere Stärken. Die zeigten sich zum Beispiel im Klubhaus der Deutsch-Ausländischen Gesellschaft in der Schwimmbadstraße 8. In diesem Prachtbau in der Wiehre steigen in dieser Zeit die Partys “mit den schönsten Mädchen”, wie Popov später in seiner Biografie schreiben wird.
Die Gesellschaft ist ein Verein, der ausländischen Studenten die deutsche Sprache und Kultur näher bringen soll. Wöchentlich veranstaltet sie Tanzbälle, am Wochenende fährt man zum Skifahren auf den Schauinsland. In diesem Umfeld lernt Popov seinen Freund Johnny Jebsen aus Hamburg kennen.
Zum Duo Jebsen und Popov kommt etwas später noch ein dritter Kamerad: Alfred “Freddy” Graf von Kageneck, Onkel des heutigen CDU-Fraktionsvorsitzenden Wendelin Graf von Kageneck. Der erinnert sich schemenhaft an die Freunde seines Onkels. “Sie zogen wohl durch Freiburg und ärgerten die Nazis.” Sein Onkel soll aber später nur selten “von der alten Zeit” gesprochen haben, obwohl er, wie von Kageneck sagt, “während des Kriegs etliche Juden vor der Deportation rettete.”
Zu dritt machen von Kageneck, Jebsen und Popov die Stadt unsicher, fahren schnelle Autos – und verspotten die Nazis. Zum Beispiel in ihrem Lieblingscafé, dem Café Birlinger, das noch heute in dritter Generation von Michael Birlinger in Littenweiler geführt wird. Das Birlinger liegt damals in der Bertoldstraße.
Betrieben wird es vom Bäckermeister Albert Birlinger und dessen Frau. Die ist verantwortlich dafür, dass zwei SS-Männer das Café rund um die Uhr bewachen. Als die Nazis Frau Birlinger zwingen wollten, das Schild “Juden und Hunde nicht erlaubt” aufzuhängen, antwortete die Birlinger: “Deren Geld ist auch rund” – und verweigert.
[Foto: Marius Buhl, Fudder.de]
Nachlesen kann man diese Anekdoten in der Biografie Popovs, die er 1974 unter dem Titel “Superspion” veröffentlichte. Beweise für die Geschichten finden sich teilweise in den Akten des Uniarchivs, des Stadtarchivs und in den Erzählungen Michael Birlingers und Wendelin Graf von Kagenecks. Teilweise lassen sich die Geschichten aber gar nicht verifizieren.
Das musste auch Johannes Samlenski erfahren. Der Freiburger entschüsselt die Geschichte Popovs seit drei Jahren. Er sagt: “Popov war ein Playboy und Angeber. Er schmückte seine Geschichten gerne aus.”
Besonders eine Geschichte verwundert ihn. Sie geht so: Popov debattierte im Ausländerklub nach eigenen Angaben leidenschaftlich gegen die Nazis. Am Ende dieser Debatten habe ein Publikum entschieden, wer die Debatte gewonnen habe.
Zu Beginn hätten die Nazis dominiert. Bis Popov irgendwann auffiel, dass diese immer das Thema vorschlugen und sich dementsprechend mit Argumenten vorbereiteten. Er fragte seinen Freund Jebsen, ob dieser die Themen vorab rauskriegen könne. Jebsen konnte. Und so hätten die Nazis für die nächsten eineinhalb Jahre keine Debatte mehr gewonnen.
Das sei lange gut gegangen, im Jahr 1937 jedoch inhaftierte ihn eines morgens die Gestapo. Aus dem Gefängnis sei er nur heraus gekommen, weil sein eigener Vater beim jugoslawischen Premier angerufen habe, der wiederum Hermann Göring anrief.
Einen Beweis für die Haft gebe es laut Samlenski nicht, “nur Indizien”. Akten, die das beweisen könnten, lagern mittlerweile wohl in französischen Archiven. Die Geschichte der Freilassung hält der Experte aber für “maßlos übertrieben”. Er kennt eine andere Geschichte, die er in einem wissenschaftlichen Aufsatz bald veröffentlichen will.
So war es Popov zu verdanken, dass die Alliierten in der Normandie landen konnten. Er hatte die Deutschen nach Calais geschickt. Und auch Pearl Harbor hätte Popov, zumindest erzählt er selbst das so, verhindern können, hätten die Amerikaner, namentlich FBI-Direktor J. Edgar Hoover, auf seine Berichte gehört.
Geschichten erzählen, das war, neben den Mädchen, eben Popovs größte Stärke. Insofern ist es logisch, dass auch sein eigenes Leben zur Geschichte wurde. Den Autor dieser Geschichte, Ian Fleming, lernte Popov übrigens noch während des Zweiten Weltkriegs in einem Casino in Lissabon kennen. Damals spielte Popov das Kartenspiel Baccara gegen einen Litauer – und zockte mit 50.000 Dollar, die er eigentlich in Amerika einzahlen sollte. Die Geschichte wurde inzwischen verfilmt. Sie heißt „Casino Royale“.
Dieser Artikel erschien bereits am 04.11.2015 auf www.fudder.de.