Lodemanns “Siegfried“
Montag, 12. Oktober 2015 |
Ob bei Reclam, dtv, Suhrkamp oder in Jürgen Lodemanns neuem Werk „Siegfried“: Im Grund ist das Nibelungenlied eine Geschichte von Liebe, Zorn und Rache, wie sie keine Vorabendserie schöner erdenken könnte – Mann verliebt sich in Frau und heiratet sie. Anderer Mann verliebt sich in andere Frau und heiratet sie. Die Frauen streiten und der erste Mann wird getötet. Dann tötet seine rachsüchtige Witwe den Mörder ihres Mannes. Ende.
Wozu Richard Wagner 20 Stunden braucht und sich in Dramatik und Theatralik zu verlieren droht,
rreichen Jürgen Lodemann in seiner dramatischen Fassung des Nibelungenlieds knapp 160 Seiten. Geht dabei nicht viel verloren und wird gekürzt, mag nun mancher fragen. Mitnichten, vielmehr ergibt sich durch Lodemanns intensive Quellenarbeit, die bereits Grundlage für sein 2002 erschienenes Werk

„Siegfried und Krimhild“ war, ein vielschichtiges Stück, das durch die Umarbeitung zum Drama weiter an Fahrt gewinnt. Aus dem Wust an mittelalterlichen Überlieferungen gelingt es Lodemann ein stringentes Stück zu formen, wobei er auch wenig beachtete Aspekte wie den „Weltenbaum“ aus der nordischen Mythologie miteinbezieht. Relikte dieser Grundlagenforschung zeigen sich noch in der Dramenfassung, wenn Siegfried mit den Hüterinnen des Weltenbaums Althochdeutsch spricht, oder am Hof der Burgunden lateinische Formulierungen fallen.
Verständnisprobleme für den Leser gibt es keine, da die Helden entweder zur eigenen Versicherung oder für andere Figuren übersetzen. Wer des Lateinischen doch kundig ist, kann sich auf ausgefeilte Wortspiele freuen. Für die Passagen auf Kölsch im Gespräch mit Einwohner ebenjener Stadt, gibt es keine Übersetzung, sondern ein Schmunzeln beim Leser. Weg von der verstaubten Ehrfurcht vor dem angeblich deutschen Nationalepos – das war Lodemanns Ziel. Nicht um die Bedeutung des Werks herabzusetzen, sondern um die Geschichte für sich selbst stehen zu lassen. Dieses Ziel hat er mit seiner spannenden, lebensnahen, fast schon modernen Version der komplexen Geschichte erreicht und eine spannende Kompaktfassung der Sage verfasst.
Jürgen Lodemann, Alumnus der Uni Freiburg und promovierter Germanist, arbeitete als Filmemacher, Kritiker und Journalist. Beim SWR erfand er die monatliche Anti-Bestseller-Liste „Bücher-Bestenliste“. Für seine Arbeit erhielt der inzwischen 81-jährige zahlreiche Preise, darunter den Alfred-Kerr-Preis für Literaturkritik und den Literaturpreis des Ruhrgebiets.
Fotos: privat