Matthias Nawrat: “Unternehmer”
Freitag, 19. Dezember 2014 |
Mit seinem zweiten Roman „Unternehmer“ hat es der Freiburger Alumnus Matthias Nawrat auf die Longlist des Deutschen Buchpreises 2014 geschafft. Er erzählt darin die Geschichte vom außergewöhnlichen „Unternehmerdasein“ einer Familie im Schwarzwald aus der Sicht der dreizehnjährigen Lipa.

Matthias Nawrat studierte Biologie an den Universitäten Freiburg und Heidelberg. An seine Zeit an der Uni Freiburg hat Nawrat viele positive Erinnerungen. Er verbinde eine gewisse Sorglosigkeit und Vorfreude auf die Zukunft sowie sehr viel intellektuelle Freiheit mit dieser Zeit, so Nawrat.
In seinem Roman „Unternehmer“ kritisiert er die Arbeitsethik in der heutigen Leistungsgesellschaft. Die Protagonisten Lipa, Berti und ihr Vater sind Unternehmer. „Lieber der eigene Unternehmerchef sein“, sagt der Vater. Sie verdienen den Lebensunterhalt der Familie mit dem Verkauf von Teilen, die sie beim Ausschlachten alter Industrieanlagen im verlassenen und mystisch anmutenden Schwarzwald auftreiben. Lipa ist die Assistentin und ihr kleiner Bruder ist der „Spezial“, der wegen seiner noch geringen Körpergröße die Aufgabe hat, in große Anlagen zu kriechen und wichtige Teile zu entnehmen. Eines Tages wollen sie mit dem verdienten Geld nach Neuseeland auswandern.
Nawrat schildert das triste und rätselhafte Dasein der Familie vor einer bemerkenswert stimmungsvollen Kulisse. Seine Beschreibungen, zum Beispiel von zu reinigenden Metallteilen, sind erstaunlich poetisch. Für die Kommunikation innerhalb der Familie verwendet er eine in allen Bereichen von Arbeitsvokabular geprägte Sprache, was teilweise absurd und amüsant wirkt, doch steht dahinter ein ernster Gedanke. Berti und Lipa haben die strenge Arbeitsphilosophie ihres Vaters vollständig übernommen. Jedoch regen sich in Lipa auch Zweifel an einem Leben, das ausschließlich der Arbeit gewidmet ist: „Vielleicht ist das überhaupt das Wesen der Arbeit: dass sich stets – so schön diese Arbeit auch sein mag – eine zweite Person in einem regt, die nicht arbeiten will.“ Nawrats Roman liest sich als Kritik an unserem Verhältnis zur Arbeit und tatsächlich sagt er: „Es ist wohl aber eher meine Erfahrung mit dem heutigen Druck auf junge Erwachsene, der auf dem sogenannten Arbeitsmarkt herrscht, der mich dieses Buch schreiben ließ. Ich habe nämlich das Gefühl, dass wir heute sogar unsere Kinder schon zu absoluter Selbstoptimierung für das spätere Berufsleben erziehen.“
Dass Nawrat den Schwarzwald als Schauplatz seiner Geschichte ausgewählt hat, liegt an seinem persönlichen Verhältnis zur Gegend. „Der Schwarzwald ist für mich zum Teil idyllisch, aber er ist auch sehr gruselig, unheimlich“, so der Autor. Auch die sprechenden Ortsnamen, wie Schönau, Titisee oder Schauinsland, liefern ihm Bilder, die er in seiner Geschichte nutzen konnte. Freiburg spielt übrigens auch eine wichtige Rolle in „Unternehmer“.
Nawrat entwirft auf eindrucksvolle Weise eine Welt, die wir zugleich bewundern und fürchten können und die uns zum Reflektieren unserer eigenen, vielleicht gar nicht so anderen Welt anregt.