„Das wirst du nicht los, das verfolgt dich ein Leben lang!“
Freitag, 20. Dezember 2013 |
Die Diskussion über Missbrauchsfälle von Kindern in kirchlicher Obhut war für die Waisenhausstiftung Freiburg ein Grund, den Historiker Dr. Dirk Schindelbeck mit einer Recherche über die Geschichte des Waisenhauses in Freiburg-Günterstal zu beauftragen. Das Resultat: Ein emotional aufwühlender Bericht, der nun unter dem Titel „’Das wirst du nicht los, das verfolgt dich ein Leben lang!’ Die Geschichte des Waisenhauses in Freiburg-Günterstal” veröffentlicht wurde.

Akribisch zeichnet Schindelbeck die wechselvolle Geschichte des Waisenhauses in Günterstal nach. Die Kapitel der Dokumentation beziehen sich auf verschiedene zeitliche Epochen, wobei der Schwerpunkt von Schindelbecks Betrachtungen im Zeitraum zwischen 1940 bis 1982 liegt. Der Autor befragte nahezu 90 Zeitzeugen, die während dieser Zeit in dem Waisenhaus lebten, und ließ deren Berichte als Quellen in seine Dokumentation einfließen.
So werden persönliche Grabenkämpfe zwischen dem Jugendamtsleiter und der Schwester Oberin Ende des 19. Jahrhunderts geschildert. Diese Scharmützel bewegen sich im Spannungsfeld zwischen Wirtschaftlichkeitsfaktoren einerseits und der Angst vor Prestigeverlust andererseits – immer aber zum Nachteil der Kinder, die menschlicher Zuwendung und Liebe bedurft hätten.
Längst überfällige reformpädagogische Ideen des Caritasverbandes wichen der menschenverachtenden Klassifikation in „verwertbare“ und „minderwertige“ Zöglinge unter der NS-Gewaltherrschaft. Erziehungsvorstellungen, die anhand von Befehlen und militärischem Drill von den Ordensschwestern verfolgt wurden, waren im NS-Regime das akzeptierte Fundament pädagogischen Handelns. Das Waisenhaus wurde zum Spielball einer unsäglichen Liaison zwischen Kirche und Regime, zwischen Ideologie und Politik.
Bis in die 1970er Jahre wird das Waisenhaus als eine Institution beschrieben, die – entgegen der sich verändernden Gesellschaft des Nachkriegsdeutschlands – überkommene Erziehungsmuster anwandte. Der Autor beschreibt einen Entfremdungsprozess, der sich oft in Gewaltexzessen der Nonnen an den Schutzbefohlenen entlud. Schließlich brach für die Waisenkinder ein völlig neues Zeitalter an, als im Herbst 1975 die Nonnen aus dem Waisenhaus abgezogen wurden, allmählich das Wohngruppenkonzept eingeführt und die Kinder von pädagogisch geschulten Fachkräften betreut wurden.
Die Dokumentation ist mehr als nur eine Geschichte des Waisenhauses. Sie ist ein Beleg der seelischen Aufarbeitung der ehemaligen Waisenhauskinder, die während ihrer Jugend wenige glückliche Zeiten erlebten.
Wo bekomme ich dieses Buch her?
Liebe Jessica,
Das Buch ist leider keine “Massenausgabe”, und daher nur lokal erhältlich – meinen Infos zufolge nur bei der Buchhandlung Schwarz in der Wiehre, im Kloster Günterstal und über die Waisenhausstiftung Freiburg.
Ansonsten ist das Buch auch zur Ausleihe verfügbar/einsehbar, z.B. in der Universitätsbibliothek, der Caritas-Bibliothek, im Stadt- und Staatsarchiv.
Viele Grüße
cfeige