Wegsperren ist keine Lösung
Samstag, 7. November 2015 |
Die deutschen Gefängnisse sind voll. „Wegsperren und den Schlüssel wegschmeißen“ lautet das Credo vieler Populisten und nicht weniger Bürger. Doch was hat das mit der Wirklichkeit zu tun? Die große Mehrheit der Inhaftierten kommt wieder frei. Und dann? Die Rückfallquoten sind hoch – „Drehtürvollzug“ heißt das in Fachkreisen. Der Freiburger Alumnus Bernd Maelicke hat seine Karriere der Weiterentwicklung des Konzepts „Resozialisierung“ in Deutschland gewidmet und dazu das Buch „Das Knast-Dilemma – Wegsperren oder resozialisieren? Eine Streitschrift“ veröffentlicht.

Das von Populisten geforderte “Wegsperren” ist eine zynische und realitätsferne Antwort auf die Probleme der Inhaftierten, des Strafvollzugs und nicht zuletzt der deutschen Bürgerinnen und Bürger. 96% der einmal Inhaftierten verlassen das Gefängnis früher oder später wieder. Doch nicht selten kehren sie wieder zurück. Das ursprünglich der Haft angedachte Nachsinnen über die eigenen Fehltritte scheint nicht zu funktionieren.
Was passiert im Gefängnis mit den Menschen, die inhaftiert wurden wegen kleiner Delikte oder weil sie einfach ihre Geldstrafe nicht zahlen konnten und im Gefängnis auf “härtere Jungs” treffen?
Maelicke klärt auf über das Gefängnis als “Schule des Verbrechens”. Die Verhaltensweisen, die Menschen ins Gefängnis gebracht haben, werden im Gefängnis verstärkt: Die Inhaftierten müssen keine eigene Struktur in ihr Leben bringen. Um nicht in der Hierarchie der Subkultur unterzugehen, müssen Sie nach außen hin Gewaltbereitschaft demonstrieren. Der Drogenhandel im Gefängnis lässt sich nicht unterbinden.
Dies sind nur einige Beispiele, die Maelicke anführt, um zu zeigen, dass das Gefängnis häufig nicht der Weg aus dem Verbrechen, sondern der Weg ins Verbrechen ist.
Deswegen fordert er auf Basis bekannter wissenschaftlicher Erkenntnisse die Vorbereitung auf die Entlassung in den Mittelpunkt jedes Gefängisaufenthalts zu stellen und zu hinterfragen, wer tatsächlich in ein Gefängnis gehört.
In einem Pilotprojekt in Schleswig-Holstein hat Bernd Maelicke als Ministerialdirigent im Justizministerium bereits erfolgreich bessere Resozialierungsstrategien umgesetzt. Maelicke, der in den 60er-Jahren in Freiburg Rechtswissenschaft, Kriminologie, Volkswirtschaft und Politik studierte, engagiert sich seit vielen Jahren für einen Politikwechsel im Strafvollzug. Sein Buch bietet neben vielen regionalen Bezügen überzeugende und unumgängliche Argumente für einen sinnvolleren Umgang mit Straffälligen.
Foto: Franzen Preetz